Derzeit arbeite ich an einer neuen Website. Je nach Branche ist die eigene Website ein Ort, um Fähigkeiten und Erfahrungen und Werte vorzustellen.
Natürlich versucht man, die Website auf das Zielpublikum abzustimmen. Aber was machst du, wenn du nicht in ein typisches Kompetenzprofil passt? Vor allem, wenn du an der Schnittstelle zwischen zwei Bereichen arbeitest, musst du dich entscheiden, wie du dich präsentierst, um verstanden zu werden.
Ein wichtiger Faktor bei der Gestaltung deiner Website ist der Wiedererkennungswert (familarity). Einerseits musst du den typischen visuellen Mustern deiner Branche so weit entsprechen, dass deine Kunden dich als potenziell passend erkennen. Auf der anderen Seite willst du so einzigartig wie möglich sein.
Jeder Bereich hat seine eigenen inhaltlichen und visuellen Marker. Grafikdesigner zum Beispiel präsentieren sich für größere Agenturen oder konkurrieren mit technischen oder visuell beeindruckenden Portfolio-Websites um Auszeichnungen. Wenn du Autor/in bist, wirst du deine Medienpräsenz als Social Proof zeigen, einen Blog-Bereich haben und einen Newsletter anbieten. Aber was ist die beste Vorgehensweise, wenn du dich zwischen zwei Bereichen bewegst, z. B. als Künstler/in und Programmierer/in oder als Forscher/in und Designer/in?
Meine Vermutungen
Ich war neugierig auf diese Frage, weil ich im Bereich Design und Data Science arbeite, mit dem Schwerpunkt auf der Entwicklung von Produkten auf der Grundlage von Datenerkenntnissen. Daher würde die Verwendung eines typischen Grafikdesign-Musters nicht passen. Ich dachte, dass es einen großen Unterschied zwischen datenbezogenen Bereichen und Grafikdesign geben könnte.
Datenerhebung
Um meine Annahmen zu untermauern, habe ich ein Data Mining von Webseiten (N=203) aus verschiedenen Bereichen durchgeführt: Grafikdesign, Produktdesign, Datenvisualisierung, Designforschung und Datenwissenschaft. Ich habe sie auf der Grundlage von Listen mit namhaften Designern/innen und Datenwissenschaftlern/innen ausgewählt oder auf Twitter nach führenden Leuten aus größeren Unternehmen gesucht.
Ich habe ein einfaches Kodierbuch erstellt, um den groben visuellen Stil abzuschätzen, mit drei- bis fünfstufigen Skalen:
- Typography
- Font Sizes
- Layout Structure
- Text to image ratio
- Text Length
- Visual Hierarchy.
Außerdem habe ich mir angesehen, welche Abschnitte (Arbeit, Über uns, Profil, Social Proof usw.) auf der Landing Page einer Website angezeigt werden und in welcher Reihenfolge sie präsentiert werden.
Methoden zur Analyse
Um alle Websites schnell durchzugehen, habe ich das Annotationstool https://prodi.gy verwendet, das oft für maschinelles Lernen eingesetzt wird. Ich habe die Daten mit Python analysiert und sie als Streudiagramm (UMAP-Projektion) visualisiert.
Ergebnisse: Welche Muster finden wir?
Nach dem Clustern aller Variablen bezüglich des visuellen Stils finden wir drei verschiedene Gruppen, die weiter unterteilt werden können. Zum Beispiel bilden die Datenwissenschaften zwei Gruppen und Grafikdesign drei. Das Diagramm zeigt Gruppen, die sich ähnlich sind. Je näher die Cluster zueinander sind, desto ähnlicher sind ihre Merkmale.

Unterschiede im visuellen Erscheinungsbild
Um die Merkmale der Cluster besser zu veranschaulichen, habe ich einige stereotype Mockups erstellt, die den Stil dieser Websites zeigen. Zusätzlich wurden typische Merkmale kommentiert. Die Grenzen zwischen den Clustern sind fließend. Praktiker der Datenvisualisierung sind sowohl in der Datenwissenschaft als auch in einigen grafischen Designmustern zu finden. Das Gleiche gilt für die Produktdesigner.

Darstellung der Projekte und Arbeitserfahrung
Wenn es um die Präsentation von Fachwissen und Arbeitsbeispielen geht, können wir starke Unterschiede feststellen. Viele Grafikdesigner/innen zeigen nur ihre Arbeiten und sonst nichts. Datenwissenschaftler hingegen erläutern ihre Dienstleistungen oder ihr Fachwissen oft in ihrem Lebenslauf oder in den „About“-Abschnitten. Wir finden auch Websites, auf denen das Know-how durch soziale Beweise wie Kunden, Auszeichnungen oder Referenzen untermauert wird. Wir können diese Unterschiede bei den Ähnlichkeiten von Websites deutlich erkennen, wenn wir nur die Abschnitte und ihre Anordnung auf den Landing Pages betrachten.

Industrietypische Muster
Es ist wichtig zu bedenken, dass sich verschiedene Bereiche aufgrund unterschiedlicher Qualitätsmerkmale in ihrer visuellen Erscheinung und inhaltlichen Struktur unterscheiden. Für einige Datenwissenschaftler könnte es beispielsweise relevanter sein, ihren geschriebenen Code auf Plattformen wie GitHub zu präsentieren, anstatt die Projekte auf ihren Websites vorzustellen und zu beschreiben.
Schlussfolgerung: Passe dich deiner Branche an, aber positioniere dich einzigartig
Bevor du dir Gedanken über dein Erscheinungsbild machst, ist es wichtig, dass du ein klares Leitbild hast: Welche Dienstleistung bietest du an, wer sind deine Kunden, welche Probleme löst du und vor allem, was ist deine Motivation? Vermittel in einfachen Worten, wofür du stehst.
Deine Positionierung dient dir als Ausgangspunkt, um die richtigen visuellen Muster für deinen Bereich zu wählen. Wenn du unschlüssig bist, frage dich, in welchem Bereich du dich am ehesten positionieren würdest, und beginne dann mit der Recherche:
- suche verschiedene Branchen, die in der Nähe zu deiner liegen oder die sich leicht damit assoziieren lassen
- eine Reihe von Webseiten von Branchenführern/innen oder bekannten Persönlichkeiten erheben
- analysiere die Webseiten (visueller Stil und/oder Inhalt)
- cluster die Daten und identifiziere die Schlüsselmarker in den verschiedenen Domains
- vergleiche die Muster deiner Haupt- und Zweitdomain
Du solltest versuchen, so viel Vertrautheit zu erreichen, dass du von deinem Publikum wiedererkannt werden kannst. Nutze diese Einschränkung als kreative Barriere. Versuche, dich innerhalb dieses Rahmens so weit wie möglich zu unterscheiden, und du wirst wiedererkennbar sein und auffallen. Für meinen Entwurfsprozess war dieser Ansatz hilfreich, um mein anfängliches visuelles Konzept zu überdenken. Auf der Grundlage der Analyse habe ich mich für das Muster von Produktdesign und Datenvisualisierung entschieden – zwischen Datenwissenschaft und Grafikdesign.
Ein datengestützter Ansatz kann dir helfen, von deinem Bauchgefühl (dein „impliziten Wissen“) zu einem klareren Überblick über Entwurfsmuster und zugrunde liegende Einschränkungen zu gelangen. Versuche, deine Eindrücke in spezifische Datenpunkte aufzuschlüsseln und diese zu untersuchen. Vielleicht findest du etwas Unerwartetes.
Was kommt als nächstes?
Wenn du an einer solchen Analyse für deine Branche interessiert bist, sag mir Bescheid.