Designprozesse spielen eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Kommunikationsziele eines Projekts. In Brandingprozessen soll das Risko einer „falschen Designentscheidung“ möglichst minimiert werden. Bei herkömmlichen Ansätzen, kann das in bürokratische Verfahren abgleiten.
Dieser Artikel stellt beispielhaft den Ablauf eines Brandings für eine fiktive Universität (Neue Universität Musterstadt) dar. Eine Besonderheit ist hier die Nutzung von „visuellen Designanalysen“, um frühzeitig ein gemeinsames Verständnis unter allen Stakeholdern zu erreichen. Außerdem wird kurz auf den Design-Framework eingegangen, der „visuelle Argumente“ nutzt, um effektive Lösungen zu entwickeln.
Vorteile der „Visuellen Designanalyse“
- schnellere und umfangreichere Konkurrenzanalyse
- zielgenaue Anknüpfungspunkte für Positionierung
- Gemeinsamer Bezugspunkt für „Marktlandschaft“
- Risiko-Reduzierung: Entwürfe mit höherer „Treffsicherheit“
Schritte im Prozess
- Business Understanding
- Angebot und Umfang (Scope of Work)
- Vertrag & Onboarding
- Discover & Research
- Define & Strategy
- Design Ideation
- Branding (Umsetzung)
- Feedback & Revision
veröffentlicht im März 2024 • zuletzt geändert am 28.03.2024 (aktualisiert)
1. Business Understanding (Strategie)
Im ersten Schritt klären wir, welche strategischen und kommunikativen Ziele das Projekt verfolgt. Dazu gehören die Bedürfnisse der Studierenden sowie die Standpunkte der Interessengruppen. Am Ende dieses Abschnitts steht die klare Zielsetzung und ein übergeordnetes Mission Statement für das Branding-Projekt.
Fragestellungen
- Was ist das Ziel: strategisch und kommunikativ?
- Welche Werte stehen dahinter (why – what – how)?
- Zielgruppe: User und ihre Anforderungen verstehen
- Job-To-Be-Done: welche Ziele verfolgt die Hochschule, welche Ziele haben die Studierenden?
- User Research / Design Research
- Stakeholder Research
Ergebnis
Problem Statement: „Die Neue Universität Musterstadt (NUM) ist eine technische und gesellschaftsorientierte Hochschule, die Studierende und Lehrende gezielter ansprechen möchte, um ihre Wachstumsposition weiter ausbauen zu können.
2. Angebot und Umfang (Scope of Work)
Branding und im weiteren Marketing dienen dazu, die strategischen Ziele zu erreichen. Dazu gehören: bessere interne Kooperation zwischen Fachbereichen, bessere externe Kommunikation der Leistungen und Studienangebote, bessere Ansprache der Zielgruppe, Gewinnen von Investoren etc.
Die Abstimmung der strategischen Ziele mit Designaktivitäten wird bereits im Rahmen des Angebots festgelegt. Das verhindert zum einen das „Entgleiten“ des Arbeitsumfangs im Verlauf des Projekts („Scope Creep“), und zum anderen stellt es den wertschöpfenden Faktor (value based) von Design sicher.
Angebotsinhalte
- Festlegung der Geschäftsziele (Auswahl aus Angebotspaketen)
- Projektumfang (Scope of Work)
- Zeitplan
- Kostenvoranschlag
3. Vertragsabschluss & Onboarding
Sobald alle Beteiligten sich über die Ziele und den weiteren Ablauf einig sind, gehen wir zum nächsten Schritt über: Der Vertrag wird unterzeichnet und weitere organisatorische Details werden geklärt. Darüber hinaus bieten wir den beteiligten Stakeholdern ein Onboarding, um sicherzustellen, dass der weitere Prozess reibungslos verläuft.
4. Discovery & Research
Die konkrete Projektarbeit beginnt nun. Unser Ziel ist es, die Hochschule, Ihre individuellen Perspektiven und Bedürfnisse besser zu verstehen. Dafür führen wir eine Konkurrenzanalyse durch, erfassen aktuelle Trends und Muster und erforschen die „worldviews“ Ihrer Zielgruppe. Wir möchten die Assoziationen und visuellen Muster erfassen, die mit dem Branding zusammenhängen. Am Ende dieses Abschnitts steht eine erste mögliche visuelle Positionierung.
Aufgaben
- Konkurrenzanalyse
- Zielgruppe: welche „worldviews“ bestehen
- Visuelle Designanalyse: Trends und aktuelle Muster verstehen
- Assoziationen: welche Bilder und Stimmungen sollen vermittelt werden?
- User Research
- Datenerhebung
Datenerhebung
Zur visuellen Analyse wurden die führenden Hochschulen, gemäß QS Ranking (2019) untersucht. Die Logos wurden hinsichtlich ihrer Art (Siegel, Wappen, Logo, Monogram, etc.) sowie weiteren visuellen Attributen wie Schriftarten, Illustrationsstil, etc. ausgewertet.
Ergebnisse
Globale Muster
Im globalen Vergleich gibt es drei grobe Gruppen von Logos für Universitäten:
- Wappen (coat of arms): verbreitet in Großbritannien, Australien, USA
- Siegel: Italien, USA, Deutschland
- Moderne Marken: USA, Frankreich
- Embleme: Japan
Erkenntnisse durch Datenanalyse
→ Insight: in Deutschland sind verschiedene Muster üblich
• Universitäten mit langer Geschichte (HU Berlin, Univ. Leipzig, Univ. Köln, etc.) tendieren zu Siegeln
• Monogramm-Marken sind üblich (LMU München, TUM München, TU Berlin, FAU Erlangen-Nürnberg)
• abstrakte Marken sind üblich (Univ. Erfurt, Univ. Bielefeld)
→ Insight: In Frankreich gibt es viele moderne Universitäts-Marken, was unter anderem auf vermehrte Fusionierungen oder Neugründungen zurückzuführen ist
→ Insight: Viele Universitäten (besonders in den USA) verwenden reduzierte Logos und Marken für ihre Alltagskommunikation, behalten jedoch das Siegel für repräsentative und zeremonielle Zwecke bei.
Konkurrenzanalyse mit eingegrenztem Fokus
Die Marktlandschaft wurde nun eingegrenzt auf die Länder, die als zentrale Wettbewerber verstanden werden: USA, Frankreich, Italien und Deutschland.
- nun werden einzelne Cluster mit ganz bestimmten Charakteristika deutlich
- die Grenzen zwischen den Clustern können fließend sein
zum Vergleich die Zuordnung nach Ländern
Erkenntnisse durch Datenanalyse
→ Insight
• Monogramm-Logos: besonders verbreitet in den USA, → wirken „bold“ und stehen oft in Verbindung mit College-Sport (Slab Serif)
• Abstrakte Logos: stark in Frankreich, geometrische Formen oder Kombinationen mit Typografie → wirken modern
• Klassische Siegel & Wappen: Siegel sind stark in Italien verbreitet → stehen für Tradition und Geschichte
• Figurative Logos: Bezugnahme auf Architektur, Symbole, geschichtliche Personen → moderne Variante zu Siegeln
→ Insight: Die Charts lassen bereits eine erste Positionierung zu. Wir können wählen, in welches grundlegende Cluster wir uns einordnen wollen – und noch wichtiger, was wir ausschließen möchten.
5. Define & Strategy
Ausgehend von unseren Einblicken in die Marktlandschaft und grundlegende Muster können wir unsere Positionierung weiterführen. Welche Assoziationen soll die „Neue Universität Musterstadt (NUM) verkörpern?
Aufgaben
- Positionierung festlegen
- Strategie finalisieren
- Brand Attributes (gewünschte Assoziationen) bestimmen
- Visuelle Positionierung überprüfen und Missverständnisse ausschließen → Designanalyse
- Stylescapes: auf Positionierung beruhende Moodboards
Ergebnis
Stakeholder Meeting: Neben den Charts nutzen wir auch räumliche Darstellungen, um die Unterschiede der Cluster zu verdeutlichen. Damit werden abstrakte Konzepte greifbar und zugänglich.
Gewählte Positionierung: „Die NUM-Universität soll als Ort des Wissens- und des gesellschaftlichen Austausches wahrgenommen werden. Es soll ein modernes, aber kein abstraktes Erscheinungsbild genutzt werden. Trotz des modernen Ansatzes soll die Historie der Universität kommuniziert werden. Es soll ein nahbarer und respektvoller Eindruck vermittelt werden.“
Solution Space: Im Rückgriff auf die Übersicht wird die „Nische“ eingezeichnet, in der wir die „NUM-Universität“ positionieren möchten. Das grenzt den Lösungsraum (solution space) für die Designentwürfe effektiv ein.
Erkenntnisse durch Datenanalyse
→ Insight: Der „Solution Space“ wird für alle Stakeholder greifbar. Konkurrenten sowie die Möglichkeiten für die eigene Positionierung werden verständlich.
• Interaktive Graphen mit Hover Informationen (Bild)
• Positionierung und (neue) Nische finden
→ Insight: Optimale Ausgangslage für eine gezielte „Ideation“ Phase in der zwei Designkonzepte entwickelt werden.
6. Design Ideation (Entwurf)
Die Positionierung zusammen mit den Erkenntnissen aus der visuellen Analyse dienen als Rahmenbedingungen für die Gestaltung. Zum einen lassen sich visuelle Trends verstehen und zum anderen lassen sich unpassende Positionierungen von vornherein ausschließen. Das spart Zeit und Ressourcen.
Ziel des Brandings sind die anfangs definierten Geschäftsziele. Daher ist ein vorrangiges Ziel das Design an die „Worldviews“ der Zielgruppe anzuknüpfen – ohne dabei zu zeitgeistig zu sein. Anhand „visueller Argumente“ werden die gewünschten Assoziationen in eine visuelle Sprache übersetzt: Typografie, Farbwelt, Formensprache, Bildsprache, Muster, etc.)
Mittels „Pretotyping“ werden zudem frühzeitig Rückmeldungen der Zielgruppen eingeholt, um die Richtung und das Verständnis der Designentwürfe zu validieren.
Vorgehen:
- zwei verschiedene Ansätze innerhalb des Solution Space werden entwickelt und frühzeitig durch Feedback der Zielgruppe überprüft
- am Ende steht die Freigabe einer Design-Richtung durch die Stakeholder
7. Branding (Umsetzung)
Sobald die Richtung feststeht, wird das Erscheinungsbild auf mehrere Elemente übertragen. Ziel ist alle relevanten „Touchpoints“ der Zielgruppe effektiv abzubilden, um ein realistisches Bild von der Wirkung erhalten zu können.
Mögliche Elemente der Umsetzung
- Logo, Designsystem (Farbwelt, Bildsprache, etc.)
- Website Landing Page
- Digitale Anwendungsfelder: Social Media Profile, Präsentationsvorlagen
- Signaletik, Beschilderung
- Merchandise: Tshirts, Taschen, etc.
8. Feedback & Revision
Bevor das Projekt abgeschlossen wird, wird das Branding intern vorgestellt und probeweise genutzt. Denn manche Aspekte fallen erst im konkreten Anwendungskontext auf. Zusätzlich wird das Branding nochmals mit den Zielgruppen besprochen, um auch deren Feedback einzuholen.
Üblicherweise finden sich einzelne Bestandteile, die im Rahmen des Auftrags nochmals angepasst werden müssen. Dank des Frameworks lässt sich der Kreativprozess auch nachträglich aufschlüsseln und nachvollziehen. Ausschlaggebend sind immer die gewünschten Geschäfts- und Kommunikationsziele.
Echtes Feedback einholen:
- Pretotyping – Intern: Es werden intern bereits Schilder, Poster und Anschriften im neuen Design getestet.
- Pretotyping – Zielgruppe: Am Campus werden den Studierenden „Mockup-Flyer“ und Unterlagen im neuen Design präsentiert, Interessensgruppen werden neue Kampagnen vorgestellt, etc.
- Design auf Geschäftsziele überprüfen: Lassen sich die gesetzten Ziele erreichen? Welches Feedback haben wir erhalten? Welche Metriken sind für die Zukunft relevant?
Interesse oder Fragen?